Pure Poesie

“Hast du noch mehr Gedichte?”

… das fragte mich begeistert eine Zuhörerin bei der Premiere meines ersten reinen Textes. Bis dahin hatte ich gedacht, sie müssten immer in Melodien gepackt werden. Dieser Moment war wie eine Befreiung und der “Geburtshelfer” zahlreicher weiterer Gedichte. Ich liebe sie besonders, weil sie so ausdrucksstark sind, und verwebe sie gerne mit meinen Liedern zu musikalischen Lesungen.

Sie haben mich auch zu der Bezeichnung “bayerische SongPoesie” inspiriert.



Einige wenige Gedichte haben es geschafft, von mir grafisch umgesetzt zu werden. Hier zwei meiner Lieblingsgedichte. Obwohl: ich liebe jedes! Übrigens kannst du die beiden Beispiele bei mir bestellen: Als Plakat DIN A4 oder DIN A3. Besonders schön sind sie als Leinwanddruck.

Identitätskrise eines Schmetterlings

Es war einmal ein Schmetterling,
der hatte es nicht leicht.
Zu werden so ein Flatterding
hatte er nur erreicht,
sich zu verpuppen siebenmal.
Für die Raupe eine Qual.

7 mal die Grenzen gesprengt,
sich 7 mal aus der Enge gezwängt.
6 mal als Raupe neu begonnen,
dann die Freiheit des Schmetterlings gewonnen.

Doch plötzlich so leicht und frei zu sein,
jagt ihm enorme Ängste ein.
Er genießt nicht sein Glück,
sondern sehnt sich zurück
in die Enge und ihren Halt.
So verkriecht er sich bald
in ein Schneckenhaus
und lugt bedrückt heraus.
Denn so hat er sich’s auch nicht vorgestellt.
Zu eng ist nun die Welt.

Er klagt: “Ach, wie ist das Leben schwer!
Ich plag’ mich so mit diesem Haus.
Wenn ich nur keine Schnecke wär’,
dann könnte ich hier raus.”

Er bedauert sein Los.
Der Frust wird so groß
wie sein Traum vom Fliegen.
Das muss an den Genen liegen.

Die Erleuchtung ist nah,
die Erinnerung wieder da.
Welch Glück, dass ihm einfällt:
“Mensch, ich kann doch fliegen!”
Und erobert die Welt,
kann nicht genug davon kriegen.
Er brauchte nur seine Angst besiegen.”

(Samira Binder – April 2021)